Anlässlich des 100. Geburtstages der lettisch-jüdischen Kulturlegende und Filmwissenschaftlerin Valentina Freimane (1922–2018) eröffnet am 13. April 2022 die Lettische Nationalbibliothek die Ausstellung „Zeuge des Jahrhunderts. Begegnung mit Valentina Freimane“. Angesichts des aktuellen russischen Überfalls auf die Ukraine ist die bewegende Lebensgeschichte von Valentina Freimane, welche sie in ihrer Autobiografie „Adieu, Atlantis“ (2015, Wallstein Verlag) beschreibt, aktueller denn je.
Die Lebensgeschichte Valentīna Freimanes ist unauflöslich mit der Geschichte Lettlands und Europas verknüpft und eröffnet einen vielschichtigen Blick auf ein ganzes Jahrhundert. Ihre Kindheit war eine ganz und gar kosmopolitische. Als Eineinhalbjährige zog sie mit den Eltern für fünf Jahre nach Paris. Danach lebte die Familie für fast zehn Jahre in Berlin. Dort lernte sie in der Wohnung der Eltern noch als Kind bekannte Film- und Theatergrößen kennen wie Anny Ondra und deren Lebensgefährten Karel Lamacz. Das weckte früh ihr Interesse an Theater und Film. 1936 flohen die Eltern mit Valentina vor dem braunen Terror und kehrten nach Riga zurück. Valentīna Freimane erzählt in ihrer Autobiografie „Adieu, Atlantis“, die 2010 auf Lettisch, 2015 auch auf Deutsch herauskam, über diese Zeit aus der unbeschwerten Perspektive des heranwachsenden Mädchens und lässt ein grandioses Zeitgemälde entstehen, aber zugleich weiß die Autorin natürlich, dass sich wenige Jahre später alle Lebensumstände komplett änderten. Die Familie erlebt die Okkupation Lettlands durch die Sowjetunion, 1941 den Einmarsch der Deutschen, dann gegen Kriegsende wieder die Rückkehr der Sowjetarmee. Freimane erzählt mit Präzision und außerordentlich berührend über dieses dreifach zermalmende Rad des Schicksals, durch das sie beide Eltern, den Ehemann und fast alle weiteren Verwandten verlor. Sie selbst wurde gerettet durch Menschen, die sie unter höchstem Risiko versteckten. Jahrzehnte später wurde Valentina Freimane eine bekannte Film- und Theaterwissenschaftlerin in Riga.
Die Ausstellung „Zeuge des Jahrhunderts. Begegnung mit Valentina Freimane“ in der Lettischen Nationalbibliothek führt durch die Lebensgeschichte von Valentina Freimane und zeigt sowohl die eigenen dokumentierten Gedanken und Überlegungen dieser bedeutenden Persönlichkeit, wie auch reichhaltige Kollektion von Dokumenten und Exponaten aus dem Privatarchiv von Frau Freimane, der Nationalbibliothek sowie anderen Archiven. Die Ausstellung ermöglicht den Zuschauern die Geschehenisse des 20. Jahrhunderts durch eine persönliche Lebensgeschichte zu erfahren, und zeigt auf, welche Bedeutung der Willenskraft des Menschen zukommt, um die Welt und Umstände zu verändern.

Während der Ausstellung werden mehrere Begleitveranstaltungen angeboten. Den Anfang macht eine Vorführung des Films „Valentina“ am 13. April 2022, 17 Uhr. Der Filmemacher Rosa von Praunheim porträtiert Valentina Freimane in seinem Kurzfilm Valentina (2012). Weiterhin zu sehen sind: Portraitfilm von Ilona Brūvere „Lebensstipendiaten. Filmwissenschaftlerin Valentina Freimane“ sowie Interview mit Frau Freimane der Produzentenvereinigung „Labvakar“. Mehr Information zu dem Programm finden Sie hier.
Eröffnung der Ausstellung „Zeuge des Jahrhunderts. Begegnung mit Valentina Freimane“ am 13. April, 16 Uhr in der Lettischen Nationalbibliothek (Mūkusalas iela 3, LV 1423 Riga). Die Ausstellung ist bis zum 3. September 2022 zu erleben. Eintritt – kostenlos.
Titelfoto – Werbefoto der Oper „Valentina“, Fotograf – Martins Ratniks